Aus der Rasteder Rundschau, von Britta Lübbers – 05.09.2024
Amando Sozialmanagement fährt mit einer Studierendengruppe in eine Müllstadt nach Kairo. Kontakt zu Hilfsprojekten vor Ort.
RASTEDE Kairo hat die höchste Recyclingquote der Welt. Das klingt gut, doch den Preis dafür zahlen die Armen. „Garbage City“, Müllstadt, heißen jene Stadtteile, in denen Menschen im und vom Müll leben, und die die meisten Kairoer nicht betreten möchten. Rund 40 Prozent des Abfalls, der in der Megacity mit seinen 22,2 Millionen Einwohnern anfällt, wird in den Garbage Cities gesammelt, sortiert, getrennt und verkauft. Die Menschen hier stehen bis zu den Knien im Abfall. Der Unrat der anderen ist ihr Arbeitsfeld, ihr Einkommen und ihr Zuhause. Die Lebenserwartung in einer Müllstadt liegt zwischen 55 und 60 Jahre, die hygienischen Zustände sind sehr schlecht, Krankheiten grassieren, zahlreiche Kinder leiden unter Asthma. Es ist schwer für die Müllmenschen, ihrer Armut zu entkommen, viele haben ihren stinkenden Stadtteil noch nie verlassen. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation in den Müllstädten immerhin verbessert. Durch die Unterstützung von Hilfswerken und NGOs wurden z.B. einfache Ziegelhäuser, aber auch Schulen und Kindergärten gebaut. Hilfe kommt z.B. vom Verein „Müllstadtkinder“, der wieder- um von der Amando Sozialmanagement GbR und der Amando Sol GmbH – beides Einrichtungen in der Gemeinde Rastede – unterstützt wird. Anfang des Jahres waren acht Studentinnen und Studenten des dualen Studiengangs Soziale Arbeit gemeinsam mit Amando-Geschäftsführerin Natascha Börgers in Kairo, um die Müllstadt „15. Mai“ kennenzulernen. Rund 1500 Menschen leben hier, davon knapp die Hälfte Kinder. Einer aus der Reisegruppe ist Fabian Hübner, der sein Studium inzwischen abgeschlossen hat und in einer Amando-Wohngruppe in Jaderberg arbeitet. Die Woche in Kairo sei eine nachwirkende Erfahrung gewesen, sagt er. „Es macht einen demütig, die Armut zu sehen. Gleichzeitig geben die Schulen und Kindergärten, die mit Hilfe von Spenden und Patenschaften aufgebaut wurden, Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“
Bildung als Weg hinaus
Bereits am ersten Abend erhielten die angehenden Sozialarbeiterinnen und -arbeiter einen Eindruck vor Ort. „Man riecht die Müllstadt, bevor man sie sieht“, erinnert sich Hübner. Ein schwerer und schwer aushaltbarer süßlicher Geruch habe in der Luft gelegen. Trotz des sozialen Gefälles zwischen den Besuchern und den Besuchten habe man nicht gefremdelt. „Wir wurden sehr herzlich empfangen.“ Zugleich sei das Elend überall sichtbar gewesen. „Die Familien sortieren den Müll auch in ihren Häusern, dabei zählt jedes Familienmitglied, egal in welchem Alter. Die Menschen sitzen zwischen hohen Abfallhaufen und trennen Papier von Plastik, Metall von Essensresten. Dinge die wiederverwertet werden können, werden an Firmen verkauft. Der Rest bleibt auf den Sortierplätzen und in den Straßen liegen.“ Auch Hübner watete durch Staub und Schmutz. Der Abfall, so sagt er, ziehe massenweise Ratten an. „Die Lebensbedingungen sind aus unserer Sicht menschenunwürdig.“ Und doch wird in den Müllstädten gelebt. Die Amando-Gruppe wurde von Nancy betreut, die selbst ein Müllkind war und der es durch Kindergarten- und Schulbesuch gelungen ist, das Schicksal ererbter Armut abzuwenden. „Sie war die ganze Woche für uns da, hat uns mit Menschen in Kontakt gebracht und uns wertvolle Einblicke ermöglicht“, berichtet Fabian Hübner. Am Beispiel Nancy wird deutlich, dass Bildung der Weg hinaus aus der Elendsspirale sein kann. Hier setzt auch die Arbeit des Vereins „Müllstadtkinder“ an, der vor allem Bildungsprojekte fördert. Die Amando-Gruppe besuchte einen vom Verein errichteten Kindergarten und lernte zudem eine Schule in der Müllstadt kennen. Zusammen mit den Kindern habe man später in einem Park „Schuhsalat“ gespielt, lächelt Hübner. „Alle legten ihre Schuhe zusammen. Die Kinder mussten die Paare dann den Mitspielern zuordnen. Es hat Spaß gemacht.“ Er berichtet, dass die Gäste aus Deutschland von einigen Familien auch in deren Zuhause eingeladen und dort großzügig bewirtet worden seien. Ihn habe diese Gastfreundschaft sehr berührt. „Für uns Studentinnen und Studenten war es eine Zeit, in der wir unvergessliche Eindrücke sammeln durften“, resümiert Fabian Hübner. „Und es war spannend, soziale Arbeit in einem anderen Land kennenzulernen.“ Eine nächste Projektfahrt sei bereits in Vorbereitung, fügt er hinzu. Amando unterstützt ebenfalls eine Babystation in Gambia. Sie soll das kommende Ziel für duale Studentinnen und Studenten sein.